Gedanken zum Islam
Gedanken und Aussagen zum Islam

Sure 110 Verse 1-3
Zur Frage des Eroberungsanspruchs im Islam

Von Prof. Dr. Otto Jastrow, Universität Tallinn, Estland
"Wenn Gottes Hilfe kommt und der Sieg,
und du die Menschen siehst,
wie sie in Gottes Religion eintreten - in Scharen,
dann lobpreise deinen Herrn, und bitte ihn um Vergebung!
Siehe, er ist gnädig zugewandt."
Der entscheidende Vers dieser Sure ist der erste. Er hat neben der religiösen auch eine politische Dimension. Dieser wird die Übersetzung "Wenn Gottes Hilfe kommt und der Sieg" nicht ganz gerecht wird. Das Word "nasr", das Bobzin als "Hilfe" übersetzt, bedeutet auch Sieg, und das Wort "fath", das er als "Sieg" übersetzt, bedeutet primär Eroberung. Eine passendere Übersetzung wäre deshalb: "Wenn Gottes Sieg kommt und die Eroberung."

Wenn der Sieg Gottes kommt, mit anderen Worten der Sieg des Islams, dann soll Mohammed seinen Herren lobpreisen und ihn zugleich um Vergebung bitten wegen der Zweifel, die er bisweilen gehegt haben mag. Dass der Sieg des Islams bevorsteht, erscheint außer Frage.
Sure 110 ist eine der spätesten Suren und ist dem Propheten erst kurz vor seinem Tode geoffenbart worden. Kommentatoren sehen sie im Zusammenhang mit seinem Sieg über die Mekkaner, gegen die Mohammed jahrelang von Medina aus einen erbitterten Krieg geführt hatte. Am Ende mussten sich die Mekkaner ergeben und Mohammed konnte als Sieger in seine Vaterstadt einziehen. Nun war auch für die heidnischen Bewohner von Mekka der Augenblick gekommen, an dem sie ihrem alten Götterglauben abschwören und zum Islam übertreten mussten.
Doch ist diese Sure wirklich nur als Kommentar zur erfolgreichen Beendigung eines Stammeskrieges zu verstehen? Das hieße, ihre prophetische Kraft zu verkennen. Was sie vielmehr ausdrückt, ist die Vision des Propheten von der Zukunft der Weltreligion, deren Grundlagen er geschaffen hat. In einem einzigen Satz entfaltet sich die triumphale Vision des Islams als einer siegreichen, unaufhaltsam voranschreitenden Macht, die sich anschickt, die ganze damals bekannte Welt zu unterwerfen. Und diese Vision sollte sich alsbald erfüllen.
Doch erneut würden wir uns täuschen, wenn wir die Sure nur als Voraussage eines mittelalterlichen islamischen Großreichs deuten wollten. Nach Jahrhunderten der Stagnation und einer erdrückenden Übermacht des Westens ist der Islam in seiner radikalen, fundamentalistischen Form wieder auferstanden und schickt sich zu einem neuen Siegeszug an, der Afrika, Asien, aber auch Europa im Visier hat. Statt der muslimischen Heere von einst wird die Eroberung nun von zahlreichen Terrormilizen vorangetrieben, unterstützt von ideologischer Propaganda und politischem Druck. In Europa kommen noch Migration und demographische Entwicklung als wichtige Faktoren hinzu. Dadurch gewinnt Sure 110 für uns eine beunruhigende Aktualität, eine latente Bedrohlichkeit, die auch durch die Übersetzung ausgedrückt werden sollte.


Quelle: Deutschlandfunk.de


© infos-sachsen / letzte Änderung: - 17.04.2024 - 17:08